LUCIUS ANNAEUS SENECA

Leben und Werk

Seneca, eigentlich Lucius Annaeus Seneca ( * um 4 v. Chr. bis 65 n. Chr.),

römischer Philosoph, Staatsmann und Dichter. Er war ein bedeutender Schriftsteller des Silbernen Zeitalters der lateinischen Literatur (Silberne Latinität) und einer der zentralen Stoiker Roms.
Seneca wurde als Sohn des römischen Rhetors Lucius Annaeus Seneca, bekannt als Seneca der Ältere, im spanischen Córdoba geboren und erhielt in Rom eine gründliche Ausbildung in Rhetorik (griechisch rhetorike techne: Redekunst oder Redetechnik) und Philosophie. Starken Einfluss übte der Unterricht der Stoiker aus, deren Lehre er später übernahm. In Rom gelangte Seneca als Advokat, Quästor und Senator zu großem Ansehen. Aufgrund einer Hofintrige wurde er im Jahr 41 n. Chr. nach Korsika verbannt, 49 n. Chr. jedoch wieder zurückgerufen und mit der Erziehung Neros, des Adoptievsons von Kaiser Claudius, beauftragt.

Nero, eigentlich Claudius Drusus Germanicus Caesar (37-68 n. Chr.), fünfter Kaiser von Rom (54-68) und letzter Herrscher des Julisch-Claudischen Hauses.

Ein Jahr später avancierte er zum Prätor und schließlich zum Konsul.

Nachdem Nero nach Claudius' Tod im Jahr 54 n. Chr. den Kaiserthron bestiegen hatte, gehörte Seneca zu seinen engsten Beratern. Neros moralisches und maßvolles Verhalten während der ersten fünf Jahre seiner Herrschaft war vor allem sein Verdienst und das von Sextus Afranius Burrus (gestorben 62 n. Chr.): Gemeinsam hatten sie bis 59 maßgeblichen Einfluss auf die Reichspolitik. 65 n. Chr. wurde Seneca der Beteiligung an der von Gaius Calpurnius Piso (gestorben 65 n. Chr.) angeführten Verschwörung gegen Nero bezichtigt und noch im selben Jahr zum Selbstmord gezwungen.

Senecas knapper, scharf pointierter Stil ist für das Silberne Zeitalter charakteristisch. Viele seiner Reden und wissenschaftlichen Schriften sind verloren gegangen. Zu den zahlreichen noch erhaltenen Werken gehören Apocolocyntosis Divi Claudi (um 54 n. Chr., Apokolokyntosis; auch: Verkürbissung des Kaisers Claudius), eine Satire auf den Tod und die Vergöttlichung des Claudius, die sieben Bücher der philosophisch-naturwissenschaftlichen Schrift Quaestiones Naturales (Physikalische Untersuchungen), die aus stoischer Sicht die Naturerscheinungen in Zusammenhang mit den vier Elementen untersucht, die Epistulae morales ad Lucilium (63-64, An Lucilius. Briefe über Ethik), eine Sammlung von 124 moralphilosophischen Briefen, sowie mehrere, von der stoischen Philosophie geprägte Abhandlungen über Themen wie Zorn (De ira, 41-44 n. Chr.), Gelassenheit und Unerschütterlichkeit. Erhalten blieben weiterhin die sieben Bücher umfassende Schrift über Wohltaten (De beneficiis, nach 54 n. Chr.) und die als Fürstenspiegel für Nero verfasste Schrift über die Milde (De clementia, 56 n. Chr.). Senecas als Dialogi bekannten philosophisch-moralischen Traktate sind undogmatischer Ausdruck der stoischen Philosophie. Neun Tragödien in Versform werden Seneca zugeschrieben; es sind dies Agamemno, Hercules Furens, Hercules Oetaeus, Medea, Oedipus, Phaedra, Phoenissae, Thyestes und Troades. Für sie dienten die griechischen Klassiker Aischylos, Sophokles und Euripides als Vorlage.

Seneca gilt als einer der hervorragendsten Stoiker Roms. Vornehmlich an der praktischen Philosophie interessiert, befasste er sich mit Fragen der rechten Lebensführung und plädierte für ein vernunftgemäßes Leben, in der die Pflichterfüllung als Dienst an der Menschheit verstanden wird und stoische Gelassenheit zu den obersten Tugenden gehört. Die ihm zugeschriebenen Verstragödien hatten großen Einfluss auf die Entwicklung des wiederentdeckten klassischen Dramas in Italien, Frankreich und England während der Renaissance. Auf Bewunderung stießen vor allem der rhetorisch ausgefeilte Stil und die gleichmäßige Form seiner Tragödien, deren Leitthema die Darstellung der unheilvollen Wirkung ungezügelter Leidenschaften ist. In Deutschland beeinflusste Seneca u. a. Andreas Gryphius und Martin Opitz.

Dieser unantastbare Moralphilosoph und Dichter war unter Kaiser Claudius schon einmal nach Korsika verbannt worden; als er zurückgerufen wurde, übergab man ihm den jungen Nero zur Erziehung. Der Spanier Seneca war ein gescheiter Kopf; er wird mit allen Mitteln der Pädagogik, von der Moral bis zum Witz, versucht haben, seinen Zögling auf die Bahn der Tugend zu bringen, die für Seneca der höchste Lebenswert war.

Nero hörte sich, auch nach seinem Regierungsantritt, einige Jahre die Predigten seines Lehrers an und las wohl auch seine Werke, zumal die Schrift "Über die Milde", die Seneca ihm gewidmet hatte. Vielleicht hat Nero auch sein mimisches Talent an einigen Tragödien Senecas erprobt, am "Rasenden Herkules" etwa oder am "Ödipus" und "Thyestes". Dann aber, nach zehnjähriger Erziehung, brachte Nero seine Mutter um und wurde der Massenmörder und Tyrann, als den wir ihn kennen. Seneca hörte nicht auf, stoische Moralschriften zu verfassen. Endlich aber beschuldigte ihn Nero, er habe an der Verschwörung des Piso teilgenommen, und er durfte sich mit vielen anderen vornehmen Literaten den Tod geben.

Seneca hatte sich allerdings schon früh an der Idee der gottähnlichen Diktatur gerächt. Als Claudius starb, verfasste er eine bissige Satire auf den Tod und die Himmelfahrt des Kaisers unter dem Namen "Verkürbissung" (Verwandlung in einen Kürbis). Den Tod begrüßte er als Freund, der ihm weit die Tore aus der Enge des irdischen Diesseits in eine bessere und tugendhaftere Welt öffnete. Die Wirkung Senecas auf die mittelalterliche Philosophie und Dichtung war stark.

Zitate Senecas

Nicht weil es schwer ist, wagen wir es nicht, sondern weil wir es nicht wagen, ist es schwer

Es ist nicht wenig Zeit, die wir zur Verfügung haben, sondern es ist viel Zeit, die wir nicht nutzen.

Glücklich ist nicht, wer anderen so vorkommt, sondern wer sich selbst dafür hält.

Unzählige Menschen haben Völker und Städte beherrscht, aber ganz wenige nur sich selbst.

Wo die Natur nicht will, ist die Arbeit umsonst.

Die höchsten Güter der Menschheit sind menschlicher Willkür entzogen.

Keiner kennt die Härte eines Kiesels besser, als wer auf ihn einschlägt!

Lang ist der Weg durch Lehren, kurz und wirksam durch Beispiele.

Jede Rohheit hat ihren Ursprung in einer Schwäche.

Es sind nicht die Dinge, die uns beunruhigen, sondern unsere Meinung über die Dinge.

Niemand ist zufällig gut, die Tugend muß man lernen.

Nicht für das Leben, sondern für die Schule lernen wir.

Ein wirksames Heilmittel gegen Angst ist Milde.

Wer sich zwischen den Sternen bewegt, kann nur noch lächeln über die kostbaren Fußböden der Reichen.

Manche weisen Männer haben den Zorn als eine vorübergehende Geistesstörung bezeichnet.

Wer will, der kann, wer nicht will, muß.

Je mehr wir in uns aufnehmen, um so größer wird unser geistiges Fassungsvermögen.

Der Mut wächst mit jedem Blick auf die Größe des Unternehmens.

Die Zeit wird kommen, wo unsere Nachkommen sich wundern, daß wir so offenbare Dinge nicht gewußt haben.

Wie in einem Theaterstück kommt es im Leben nicht darauf an, wie lange es dauert, sondern wie gut es gespielt wird.

Niemand gibt zu Gelächter Anlaß, der über sich selber lacht.

Von der Zukunft hängt ab, wer nicht versteht, in der Gegenwart zu wirken.