CAIUS VALERIUS CATULLUS

Carmen LXXVI

Wenn es irgendeine Freude für den Menschen gibt, der sich an frühere Wohltaten erinnert, wenn er denkt, dass er rechtschaffen ist und die heilige Treue nicht verletzt hat und kein Bündnis der Götter dazu missbraucht hat, um Menschen mit einem göttlichen Wink zu täuschen, dann bleiben dir, Catull, aus dieser undankbaren Liebe in einem langen Leben für dich viele Freuden bereit. Denn was auch immer Menschen einem anderen entweder wohl sagen oder tun können, ist von dir gesagt und getan. Alles, was verloren wurde, ist einem undankbaren Geist anvertraut worden. Warum sollte es dich deshalb weiter quälen? Warum fasst du dir kein Herz und ziehst dich von hier zurück und hörst auf, gegen den Willen der Götter unglücklich zu sein? Es ist schwer eine lange Liebe plötzlich auf zugeben, es ist schwer, aber du sollst es wie auch immer schaffen. Dies ist deine einzige Rettung, dies musst du bis zum bitteren Ende durchkämpfen, dies sollst du tun, egal, ob es möglich ist oder nicht. Oh ihr Götter, wenn es eure Aufgabe ist, sich zu erbarmen oder wenn ihr Menschen jemals im Angesicht des Todes letzte Hilfe gebracht habt, dann seht mich Armen an und, wenn ich das Leben rein verlebt habe, entreißt mir dieses elende Verderben, das mir heimlich in die innersten Glieder kroch und die Freude aus dem ganzen Herz vertrieben hat! Nicht mehr bitte ich darum, dass sie meine Liebe erwidert oder, was unmöglich ist, dass sie züchtig sein will: ich selbst wünsche nur gesund zu sein und diese hässliche Krankheit abzulegen. Oh Götter, gebt mir dies für meine Rechtschaffenheit zurück!

16.4.2013