CICEROS "TUSCULANAE DISPUTATIONES"

Cicero über die Anfänge der Philosophie durch Pythagoras (Tusc. 5.7-9)

Obwohl wir sehen, dass es sich hier um eine sehr alte Sache handelt, bekennen wir dennoch, dass der Begriff neu ist. Denn wer könnte leugnen, dass die Weisheit selbst sicht nicht nur tatsächlich, sondern auch nach ihrer Bezeichnung alt ist? Diese bekam diesen äußerst schönen Namen bei den Alten durch die Erkenntnis der göttlichen und menschlichen Angelegenheiten, dann besonders durch die Erkenntnis der Anfänge und Ursachen einer jeden Sache. Deshalb haben wir erfahren, dass auch jene Sieben, die von den Griechen für "sophoi" und von uns sapientes gehalten und ebenso genannt wurden, und viele Jahrhunderte zuvor Lykurg, zu dessen Zeiten auch Homer bereits vor der Gründung dieser Stadt gelebt haben soll, und bereits in den Zeitaltern der Heroen Odysseus und Nestor sowohl klug waren und gleichzeitig auch dafür gehalten wurden.

In deren Nachfolge wurden daraufhin alle, die in die Betrachtung der Dinge ihren Eifer setzten, sowohl für weise gehalten als auch so genannt, und dieser Begriff von diesen hat sich bis in das Zeitalter von Pythagoras ausgebreitet. Wie der Platos Schüler Ponticus Heraclides, ein besonders gelehrter Mann, schreibt, sagt man, dass dieser nach Phlius gekommen ist und ermit Leon, dem Anführer der Bewohner von Phlius, gelehrt und wortgewandt diskutiert hat. Als Leon dessen Talent und Eloquenz bewundert hatte, habe er ihn gefragt, auf welche riesig große Kunst er vertraue; doch jener habe geantwortet: er freilich kenne keine Kunst, aber er sei ein Philosoph. Der verwunderte Leon habe nach der Neuheit dieses Begriffes gefragt, wer denn diese Philosophen seien und was es zwischen diesen und den übrigen für einen Unterschied gebe.

Pythagoras aber habe geantwortet, dass ihm das Leben der Menschen und ein Markt, der mit größtem Prunk an Spielen unter der Anwesenheit von ganz Griechenland abgehalten werde, recht ähnlich erscheine: Denn wie dort die einen nach Trainieren ihrer Körper Ruhm und den Gewinn der Krone erstrebten, und andere durch Gewinn und Lohn des Kaufens und Verkaufens (auf den Markt) geführt werden, es aber eine gewisse Art derer gebe - und gerade das ist die edelste -, die weder den Beifall noch den Gewinn suchten, sondern nur zum Schauen kämen und eifrig betrachteten, was denn los sei und wie, so gehorchten wir ebenso - als ob wir aus irgendeiner Stadt in ein gewisses reges Treiben eines Marktes - so aus einem anderen Leben und Wesen in dieses Leben aufgebrochen, als die einen dem Ruhm, andere dem Geld. Es gebe auch einige, die das Wesen der Dinge aufmerksam betrachten, nachdem sie alles übrige für nichts gehalten haben. Diese nenne er die Weisheitseifrigen (denn das genau bedeutet Philosophus wörtlich). Und wie es dort (auf dem Markt) äußerst freigiebig sei, herumzuschauen, während man nichts für sich erwirbt, so übertreffe die Betrachtung und Erkenntnis der Dinge die anderen Studien im Leben um Längen.